Dienstag, 15. Juni 2010

Google's Grenzen. Oder: Warum Recherchen wieder länger dauern

Es gab eine Zeit, da war Informationsbeschaffung ein mühsames Geschäft. Regalweise mussten Bücher und Zeitschriften gewälzt werden, riesige Indexe verrieten einem wenigstens, wo etwas stehen könnte (ob es dann wirklich zum Thema passte, war wiederum Glückssache).

Ein Kollege berichtete zum Beispiel aus seiner Studienzeit (Mitte der 80er war das), wie er für eine Hausarbeit in die Uni-Bibliothek ging, bewaffnet mit einem Block, einem Kuli und einer Kopierkarte. Dann suchte er in Kommentaren und Mikrofilm-Verzeichnissen nach Fundstellen zu einem juristischen Problem, schrieb fein säuberlich Titel, Jahrgang und Seite oder Entscheidungsindex ab oder was auch immer er für Angaben hatte, um den gewünschten Artikel, BGH-Beschluss, oder was auch immer es war, zu finden. Mit vielleicht 20 solcher Datensätze machte er sich dann auf, suchte die jeweiligen Quellen aus riesigen, hallenfüllenden Regalen heraus und schaute sich die Texte an. Ein Drittel der Fundstellen, so schätzt er, passte nicht wirklich zu seinem Problem und ein weiteres Viertel war bereits überholt und bestenfalls noch am Rande hilfreich.

Da sich aus Fundstellen im ersten Durchgang gerne weitere Quellenangaben herauslesen liessen, wiederholte sich das Ganze meist so über drei, vier Iterationen, bis er genug Material für eine schicke Hausarbeit beisammen hatte. So verging dann ein ganzes Wochenende für eine Zivilrechts-Hausarbeit, aber insgesamt, so meint er, hätte es sich trotz aller Mühen doch gelohnt.

Wieviel einfacher ist die Welt doch heute: Google aufrufen, ein oder zwei Stichworte eingeben, und prompt ist der ganze Schirm voll mit zielführenden Hinweisen, wo man denn Antworten auf seine Fragen findet. Vor ein paar Jahren zaghaft begonnen erlebte diese Art der Recherche einen derartigen Boom, daß "googeln" inzwischen offiziell als neues Verb in die deutsche Sprache aufgenommen worden ist.

Über die Qualität der jeweils gefundenen Links sagt das leider nicht viel aus. Das Konzept von Google, einerseits die Zahl der Verweise auf eine Quelle auszuwerten (je mehr Leute auf eine Seite verweisen, umso interessanter muss sie ja wohl sein), und andererseits die Klicks auf den Google-Link zu dieser Seite zu zählen (je häufiger dieses Such-Ergebnis auch tatsächlich aufgerufen wird, umso wichtiger muss es wohl sein) nähert sich seinen Grenzen.

Heute ist es bereits so, daß ein erheblicher Teil der Links zu irgendwelchen Forumsbeiträgen aus den Jahren 2002 bis 2008 führt, die oft genug auch noch ungehört verhallten. Wenn es aber z.B. um aktuelle Fragen aus dem Computerbereich geht, hilft es mir wenig, zu erfahren, wie das Problem unter Windows-ME zu lösen war. Der Hohn schlechthin sind dabei natürlich Forums-Diskussionen, in denen der Frager in geradezu unverschämt aggressivem Tonfall belehrt wird, er möge doch gefälligst Google befragen, bevor er das Forum mit einer solch dämlichen Frage verschmutzt...

Nun ja, ich glaube, die Zeiten wandeln sich mal wieder. Entweder findet Google einen Algorithmus, der auch das Alter der Fundstellen mit berücksichtigt, oder die Recherchen funktionieren auch im Internet wieder genau so, wie weiland in der guten alten Uni-Bibliothek. Ich bin mal gespannt.

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