Mittwoch, 23. Juli 2008

Service-Wüste Deutschland

Gestern abend hatte ich einen wichtigen Brief zu verschicken. Er war groß (A4) und recht schwer - und ich hatte keine Ahnung, wie viel Porto da drauf muß.

Die "Postfiliale meines Vertrauens" existiert seit zwei Jahren nicht mehr, stattdessen wurde in einem örtlichen Supermarkt eine Art Poststelle eingerichtet, besetzt durch Mitarbeiterinnen des Shops.

Könnte ökonomisch Sinn machen - die "echte" Post war nicht so sehr frequentiert, als daß das Personal (ein Mitarbeiter) ausgelastet gewesen wäre, und im Supermarkt kann man das quasi nebenher machen - wenn ein Postkunde kommt, unterbricht man die Reagl-Einräumerei kurz.

Aber wir leben schließlich in einer Service-Wüste: Während nämlich die Shopmitarbeiter bis 20:00 Uhr da sind (so lange hat der Laden auf), schließt der Postschalter trotzdem pünktlich um 18:00 Uhr. Soll wohl niemand verwöhnt werden...

Freitag, 18. Juli 2008

Primitiver Party ?

Gestern früh in der S-Bahn: ich noch halb verpennt, gerade noch den Zug erwischt (hechel, hechel) und Glück gehabt - letzter Sitzplatz ist meiner. Im selben Vierer drei Schicksen, hübsch anzusehen, Dekoilleteés der eher freizügigen Art, kurze Röcke, Stiefel.

Okay, ich gebe zu, daß mich der Anblick nicht wirklich gestört hat. ;-)

Aber das Leben ist ja so dermaßen berechenbar - Du siehst eine ausgesprochen hübsche Frau, die mit ihren definitiv vorhandenen Reizen absolut nicht geizt, checkst ganz beiläufig den Ringstatus ab (Vorsicht: "kein Ring" heißt mitnichten "kein Freund". Immer den Crosscheck machen: kein Ring und keine Ohrringe und kein Piercing kann auch "kein Schmuck" bedeuten und läßt dann genau gar keine Rückschlüsse mehr zu...) überlegst schon so ein bißchen, ob und wie Du sie vielleicht anquatschst, doch plötzlich...

Ja genau: plötzlich macht sie den Mund auf. Manchmal reicht das schon, weil sich hinter einer aufreizend hübschen Fassade gern mal eine Ruinenlandschaft von ungepflegten Zähnen verbirgt. Sollte dem (wie in diesem Fall) nicht so sein, erfolgt die nächste Blutmengenverlagerung spätestens, wenn sie anfängt zu sprechen.

Schade, vergeigt. Meine Vorstellungen von intensivst-geilen Spielchen unter Einbeziehung der erwähnten Stiefel und vielleicht Handschellen & Co. zerbersten jäh, als die Worte ein kurzes Schlaglicht auf die "inneren Werte" werfen - beziehungsweise auf die Region, wo diese sein sollten. (Gut, mit inneren Werten kann man nicht ins Bett gehen, aber der Geist will halt irgendwie auch befriedigt sein...)

In diesem Fall war es eine durchaus gelungene Mischung aus mangelhafter Grammatik und einem perfektioniert hochnäsigen Tonfall, in dem man sich über "einen primitiven Party" unterhielt, wo die Jungs scheinbar den ganzen Abend "an Tresen" gestanden haben und "gesauft" haben.

Vielen Dank ihr drei - war nett, euch mal ein bißchen von oben auf den Bauchnabel zu schauen, aber statt der Handschellen wäre wohl eher ein fester Knebel angesagt...

Mittwoch, 16. Juli 2008

GELB und BLAU ergibt - GRÜN

Gestern abend habe ich mir seit langem mal wieder eine "grüne Witwe" gemixt - ein Glas Orangensaft mit einem Schuß Blue Curacao. Abgesehen davon, daß das Zeugs doch irgendwie ganz lecker schmeckt, finde ich das Farbspiel jedesmal wieder beeindruckend: Stechendes Gelb wird durch ein bißchen kräftiges Blau zu einem blassen Grün.

Das erinnerte mich dann ganz spontan an den aktuellen Blödsinn in der Hamburger Schulpolitik: da werden ja gerade die Hauptschulen abgeschafft und mit den Realschulen zusammengelegt, in der Erwartung, daß das Bildungsniveau ansteigt. Klingt irgendwie wie die Vorstellung, man mischt Orangensaft mit Blue Curacao und erwartet, daß die blaue Fareb sich irgendwie auflöst und in ein kräftiges Gelb umwandelt.

Nette Idee, funktioniert aber nicht.

Warum sollte man das überhaupt versuchen? Okay, die Schüler von heute bringen nicht mehr das Wissen und die Kenntnisse mit, wie es ihre Vorgänger in der 80ern wohl noch taten; viele Firmen, gerade im handwerklichen Bereich, beklagen ja die oft bodenlose Unwissenheit von Lehrstellenbewerbern. Vor allem in puncto Allgemeinbildung, aber auch so simple Kenntnisse wie z.B. Prozentrechnung oder Grammatik sind oft nicht nachweisbar.

Personalverantwortliche erklären unisono, am liebsten gute Abiturienten einzustellen, dann gute Realschüler, dann schlechte Abiturienten. Wenn's sein muß, sogar schlechte Realschüler. Doch bevor man einen Hauptschüler einstellt, läßt man die Lehrstelle dann doch lieber unbesetzt - nur wenige Firmen machen sich noch die Mühe, einen Hauptschulabsolventen überhaupt zum Vorstellungsgespräch einzuladen.

Die Lösung liegt also auf der Hand - wenn man die Hauptschulen abschafft, wird es keine Hauptschüler mehr geben, die sich (frustran) um eine Lehrstelle bewerben könnten...

Klasse Konzept, wirklich. Den Mut zu einer so einschneidenden Maßnahme zu haben - Respekt! Überhaupt auf die Idee zu kommen, Waldbrände zu verhindern, indem man einfach alle Wälder abholzt, hey, da gehört doch echt was zu! Das macht mir auch deutlich, warum ich in der Politik keine Chance hätte: auf so kreative Ideen komme ich ja gar nicht.

Ich hätte vielleicht ein Konzept entwickelt, das auf besondere Förderung der schwachen Schüler setzt. Daß man schaut, wo die Schwäche des Einzelnen herkommt, also ob er z.B. der deutschen Sprache nicht mächtig ist und deshalb gar nicht versteht, was im Unterricht so gesprochen wird. Oder ob die Grundlagen schon nicht kapiert wurden und deshalb gar nichts da ist, wo man drauf aufbauen könnte. Oder ob er abends und nachts in der Gegend rumhängt, weil sich die Eltern nicht weiter darum kümmern, daß sie auch erzieherische Verantwortung tragen, so daß er die Schulzeit zum Nachholen des Nachtschlafs braucht. Jede einzelne dieser Ursachen würde ich konsequent bekämpfen wollen, durch verpflichtende Sprach- und Integrationskurse, durch Förderunterricht, wenn es sein muß sogar durch Eingriffe in das praktizierte Familienleben.

Ich gebe zu, ich hätte nach den Ursachen geforscht und versucht, diese direkt anzugehen - auf einen so vorzügilchen Gedanken wie die Abschaffung der Projektionsfläche wäre ich nicht gekommen.

Letztlich fürchte ich einfach, daß es die Schüler mit Realschulniveau sein werden, die unter diesem Mist zu leiden haben. Das Lerntempo wird immer durch die Schwächeren bestimmt, und die Schüler, die gerade mal die Hauptschule schaffen würden, werden das Niveau der Besseren nach unten ziehen.

Die Folge wird sein, daß aus dem strahlenden Gelb der Realschulen und dem kräftigen Blau der Hauptschulen - beides gut einzuordnen - ein undefiniertes häßlich-blasses Giftgrün wird. Oder konkret: ein Realschulabschluß aus Hamburg wird in ein paar Jahren nichts mehr wert sein.

Aber: kein Hauptschüler wird mehr gefrustet sein, weil er keine Lehrstelle bekommt, denn Hauptschüler gibt es ja dann nicht mehr...

Montag, 14. Juli 2008

isch hau disch auffa fresse, alda!

Das Hamburger Abendblatt berichtet in seiner heutigen Ausgabe von einem 15jährigen, der des Nächtens an der Alster Passanten provoziert hat, indem er ihnen Schläge androhte. Ganz offensichtlich war der Knabe kräftig angetrunken.

Man weiß ja nun nicht, wie lange dieses Kind da schon besoffen herumgelungert hat, wie viele Menschen es, vielleicht kopfschüttelnd, bereits ignoriert hatten - doch irgendwann in dieser Nacht passierte, was in solchen Fällen immer passiert: jemand hat die Provokation dankend angenommen.

Der Störenfried bekam die Abreibung, um die er so sehr gebettelt hat, inklusive einer anschliessenden Freifahrt in die nächste Chirurgie.

Mein erster Impuls, als ich das gelesen habe, war: "selbst schuld".

Aber ist das wirklich so einfach? Kann man die Tatsache, daß ein 15jähriger Bengel nachts besoffen in der Gegend rumläuft, andere belästigt und dafür schließlich was auf die Mütze kriegt, einfach abtun mit dem Gedanken "selbst schuld"? Kann man ihm tatsächlich vorwerfen, daß er Alkohol zu sich genommen hat, bis er seine Aggressivität verbal auszuleben begann?

Oder muß man nicht vielmehr fragen, wer denn da versagt hat? Wer hat dem Halbwüchsigen überhaupt den Zugang zu Alkohol verschafft? Wer hat alles in den 15 Jahren vor diesem Event einem Kind die Aufmerksamkeit versagt - so daß es sich diese nun auf, zugegeben ungeschickte Art, selbst verschaffen muß? Wer hat nicht darauf geachtet, daß der Jüngling nachts dort ist, wo Kinder in seinem Alter nunmal hingehören - im Bett nämlich?

Ich meine, Mitleid ist hier fehl am Platze. Vielleicht ist es ja vor 50 Jahren so gewesen, daß ein 15jähriger keine Ahnung hatte, wie Alkohol wirkt - aber heute? Sorry about it. Heute weiß spätestens jeder 12jährige, daß Alkohol die Sinne benebelt und man Gefahr läuft, Dinge zu tun, die man sonst nicht tun würde.

Insofern klares Votum: der Typ hat selbst Schuld gehabt, und ich wünsche ihm, daß er aus der Nummer seine Lehre zieht.

Samstag, 5. Juli 2008

Leben und sterben lassen ?

Hochaktuell mal wieder: das Thema Sterbehilfe.

Ausgelöst durch einen mediengeilen Exsenator, der vielleicht als Kind zu wenig Aufmerksamkeit bekam, dessen grundsätzliche Ansichten ich aber weitgehend teile. So es denn wirklich seine Ansichten sind und er nicht einfach nur aufmerksamkeitsbesetzte Themen aufgreift, um seinen Durst nach öffentlicher Wahrnehmung zu stillen.

Sei's drum - ich will mich mit dem Mann hier gar nicht weiter beschäftigen, sondern ein paar Gedaken zum Thema "Recht auf Freitod" zu Web bringen.

Ich persönlich verstehe Leben ja als den Zeitraum zwischen Werdung und Vergehen, zwischen Geburt und Tod also. Diesen Zeitraum haben wir irgendwie zu bewältigen und die herrschende Meinung geht richtigerweise von einem weitreichenden Selbstbestimmungsrecht aus - will sagen: sobald ein Mensch in der Lage ist, für sich selbst Entscheidungen zu treffen, darf er dies auch tun. Üblicherweise wird den Menschen dies zugetraut, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben; in Deutschland nennt man das "Volljährigkeit".

Wenn aber jemand, der volljährig ist, für all sein Tun verantwortlich ist - und natürlich auch die Konsequenzen zu tragen hat - warum spricht man ihm dieses Recht ab, wenn es um den eigenen Tod geht?

Und warum darf er sich - wenn er diesen Schritt schon geht - dabei nicht helfen lassen?

Jemandem zu helfen, etwas zu tun, was er alleine nicht fertigbringt, wird in unserer Gesellschaft immer dann gelobt und anerkannt, wenn das Ziel selber für "in Ordnung" befunden wird. Wenn ich der alten Dame über die Strasse helfe, weil sie es alleine nicht schafft, bin ich ein "guter Mensch". Wenn ich mich ehrenamtlich in der Feuerwehr engagiere und dort hineinlaufe, wo andere rausrennen, dann bin ich sowas wie ein "Held". Ja, manchmal fordert die Gesellshaft sogar, daß ich Hilfe leiste, vgl. §323c im StGB.

Wenn hingegen das Ziel der Unternehmung verboten oder sonstwie gesellschaftlich nicht anerkannt ist, dann bin ich natürlich kein guter Mensch, jedenfalls moralisch nicht, werde vielleicht sogar bestraft.

Wenn nun also Menschen an den Pranger gestellt werden, die anderen dabei helfen (wollen), sich umzubringen, dann kann das nichts anderes bedeuten, als daß man das Ziel "Selbsttötung" nicht okay findet.

Die Frage ist demnach nicht, ob es verwerflich ist, jemandem bei dessen Suizid behilflich zu sein, weil er es alleine nicht schafft, sondern die Frage ist, ob ein Mensch das Recht hat, sich selbst zu töten, oder ob dieses Recht nicht besteht. Und diese Frage ist vor dem Hintergrund zu beantworten, daß Menschen (wie oben gesagt) das grundsätzliche Recht haben, ihr Leben selbst zu gestalten.

Diejenigen, die dem Menschen das Recht auf ein selbstbestimmtes Ende absprechen, tun dies grundsätzlich mit dem Argument, daß der Mensch nicht das Recht habe, in "Gottes Willen" einzugreifen. Sie argumentieren aus verschiedenen Aspekten, aber im Grunde läuft es immer darauf hinaus.

Da kann ich nur sagen: wenn GOTT bestimmt, wann ich aus dem Leben scheide, dann wird ER auch bestimmen, wie ich es tue. Vielleicht beliebt es IHM, mir irgendwann auf der Landstrasse einen Baum in den Weg zu stellen, oder ER hat Freude daran, mich lange siechen zu sehen. Möglicherweise gefällt es IHM, mich mitten aus dem Kreis meiner Familie zu reissen, weil ER den Meinen eine Prüfung angedeihen lassen will.

Aber wenn ER derjenige ist, der mein Ende bestimmt, dann besteht für mich kein Zweifel daran, daß ER auch einen Knopf "Suizid" auf SEINER göttlichen Fernbedienung hat. Dann hat ER auch das Recht zu entscheiden, daß ich hier und jetzt und aus eigener Hand aus dem Leben scheide.

Und niemand hat das Recht, diese SEINE Entscheidung in Zweifel zu ziehen - erst recht nicht, wenn er mit IHM als dem einzigen Bestimmer des Weltenlaufes argumentiert.

Im Grunde ist das natürlich alles esoterisches Geschwafel - als strenggläubiger Atheist halte ich es denn doch mehr mit der Theorie, daß der Mensch selbst der Bestimmer ist. Götter sind in allen Zeiten erforderlich gewesen, um Unverstandenes zu erklären und um die Macht Einzelner zu sichern, die den jeweiligen Göttern gerade etwas näher standen als der Rest der Menschheit. Aus welchem Wahn diese Einschätzung auch immer entstanden sein mag.

Tatsächlich stehe ich auf dem Standpunkt, daß die schlimmste Geißel der Menschheit die Doppelmoral ist, die Unehrlichkeit sich selbst und den anderen gegenüber.

Ich denke da an Menschen, die in Umweltgruppen aktiv sind, die aber die zwei Kilometer zur Arbeit mit dem Auto zurücklegen. Oder diese Leute, die jeden Sonntag in die Kirche gehen und jeden Abend beten, aber tagsüber Hetze gegen Ausländer betreiben und nur sich selbst die Nächsten sind. Oder Priester, die sich Gottes Wort verschrieben haben, und nebenher kleine Kinder ficken.

Und in genau die gleiche Kategorie fallen auch diese selbstgefälligen Spacken, die einerseits ein Recht auf Selbsttötung verneinen, andererseits aber mit dafür sorgen, daß in dieser Gesellschaft kaum noch jemand alt werden mag - weil Altwerden oft genug Würdeverlust und Siechtum bedeutet.

Diese Menschen, die vehement fordern, Beihilfe zum Selbstmord zu bestrafen, das sind die gleichen, die ihre eigenen Eltern ins billigste Pflegeheim abschieben.

Die Leute, die dem Menschen das Recht auf ein selbstbestimmtes Ende absprechen - es sind doch dieselben, die über zu hohe Beiträge an die Pflegekasse jammern.

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß jeder Mensch das Recht hat, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Die Gesellschaft darf dies nicht länger zum Tabu machen, sondern sie muß Möglichkeiten schaffen, damit jeder Mensch dieses Recht auch wahrnehmen kann.

Donnerstag, 3. Juli 2008

Tod durch Ignoranz

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate ist in den USA ein Mensch inmitten einer krankenhäuslichen Notaufnahme gestorben, weil das Personal sich einfach mal nicht drum gekümmert hat. Videoaufnahmen belegen, daß Mitarbeiter mehrfach die reglos am Boden liegende Frau zur Kenntnis genommen haben, jedoch ohne etwas zu unternehmen.

Sowas kann in Deutschland natürlich nicht passieren.
Weder im Krankenhaus, noch im Rettungsdienst.
Sollte man jedenfalls denken - sind doch die Deutschen bekannt dafür, gründlich und sorgsam ihre Aufgaben zu erfüllen, pflichtbewußt und akkurat zu handeln.

Natürlich gibt es so Situationen, wo jemand in der Rettungsleitstelle anruft ("den Notruf wählt") und an den ärztlichen Notdienst verwiesen wird, weil der Leitstellendisponent das Geschehen nicht für dringlich genug hält, einen Rettungswagen zu entsenden. Vielleicht, weil der Anrufer öfter mal anruft (sogenannter "Nervkunde") oder seine Situation nicht detailliert und dramatisch genug schildert (und der Disponent grad keine Lust auf aufwändiges Nachfragen hat). Oder auch, weil der Anrufer alle verfügbare Dramatik in Stimme und Inhalt legt und den Disponenten damit geradzu auffordert, alles für eine maßlose Übertreibung zu halten.

Natürlich gibt es auch Situationen, wo der Anrufer irgendwann in seinem Text das Wort "Hausarzt" erwähnt, wie zum Beispiel in "...und der Hausarzt ist nicht erreichbar..." - damit wird aber bei einigen Disponenten der SKS aktiviert, der "Synaptische Krankentransport-Schaltkreis". Völlig egal, was in dem Gespräch noch an Informationen enthalten war ("atmet nicht mehr", "blutet wie ein Schwein", "hat extreme Brustschmerzen", ...) - das schlichte Erwähnen des Terminus "Hausarzt" klassifiziert den Einsatz zu einem Krankentransport ohne jede Dringlichkeit.

Klar, auch im Krankenhaus gibt es Vorfälle, wo dem Patienten gesagt wird "hier sind Sie leider falsch, da müssen Sie ins Anderes-Ende-der-Stadt-Krankenhaus" - was auch völlig korrekt ist, weil die eigene unterbesetzte Notaufnahme gerade aus allen Nähten platzt, weil der Pizzaservice gerade das Essen geliefert hat, oder weil im Ersten gerade der Tatort läuft. Alles Situationen, wo selbstverständlich nicht mal eine Erstversorgung möglich ist, weil alle Ärzte unabkömmlich gebunden sind.

Selbst wenn man auf der Trage vom Rettungsdienst in die Notaufnahme geschoben wird, ist das noch lange keine Garantie dafür, auch zumindest angeschaut werden - jedenfalls nicht sofort. Der Klassiker sind Patienten, die aufgrund eines akuten Schlaganfalls gestürzt sind und nun auch noch eine kleinere Kopfplatzwunde mit sich führen. Die kann der Neurologe so ja gar nicht behandeln, dafür ist erstmal der Chirurg zuständig - der einen selbstverständlich sofort zu den Neurologen zurückschickt, weil die Wunde nicht mal mehr blutet...

Oh, natürlich wären alle diese "kritischen Ereignisse" geeignet, einen Patienten sterben zu lassen, weil die richtige (adäquate) Hilfe nicht in der gebotenen Eile zur Verfügung gestellt wird.

Dennoch werden wir diese amerikanischen Verhältnisse nicht bekommen, weil wir deutschen eben so gründlich sind. Nämlich im vertuschen und verschleiern, oooh, das können wir gut, viel besser als die dämlichen Amis.

Außerdem haben wir mehr Corpsgeist - bevor hierzulande ein Disponent oder ein Krankenhausmitarbeiter seinen Job verliert, weil er völlig verantwortungslos handelt, fängt sich der Kollege, der das meldet (und sei es nur intern), eine Abmahnung ein. Nestbeschmutzer mag man hier nicht!

Kein Disponent wird sich bei der Arbeit filmen lassen, stattdessen hat er die Möglichkeit, auch noch die Tonbandaufzeichnung abzuschalten. Muß er wohl gegen den Schalter gekommen sein...

Und auch im Krankenhaus würde sich natürlich niemand so dämlich anstellen, und videodokumentiert Mist bauen. Kameras scheitern in der Regel an den Personal- und Betriebsräten (vorausgesetzt, sie sind nicht eh schon zu teuer), und falls nicht, können Aufzeichnungen immer noch durch Mitarbeiter gelöscht oder veschwunden werden - schließlich hat jeder im Unternehmen ein Interesse am guten Ruf des Hauses.

Und wenn alles schiefgeht, blockt halt die Geschäftsführung alle Ansprüche ab. Bevor noch ein Imageschaden entsteht.

Die beiden betroffenen Krankenhäser in den USA werden garantiert ihre Konsequenzen ziehen. Abgesehen davon, daß die betroffenen Mitarbeiter sofort fristlos gekündigt wurden, werden dort unter Garantie nun die Prozesse verbessert, damit sich so etwas nicht wiederholen kann.

Für unser Land kann man nur hoffen, daß es einen nicht selber trifft.