Donnerstag, 5. Juni 2008

Heißdüsen...

Was macht eigentlich so ein Klempner den ganzen Tag?

Morgens beginnt er seine Arbeit in der Firma bei Mettbrötchen und BILD, fährt dann mit seinem Azubi zusammen los zum ersten Kunden, wo er sich um die Kloverstopfung kümmert. Scheiß-Job, möchte man meinen... Anschließend weiter zu nächsten Kunden, ein neues Waschbecken installieren, hinterher beim dritten Kunden des Tages erstmal nur ausmessen - man will ein neues Badezimmer und bittet um einen Kostenvoranschlag.

Nach der Mittagspause gilt es, beim vierten Kunden des Tages einige Heizkörper auszutauschen und kurz vor Feierabend ist nochmal eine Verstopfung reingekommen.

Abends setzt er sich vor seinen Computer und schreibt sein Blog: Zwei Familien vor dem Ertrinken in Exkrementen gerettet, eine weitere vor dem Erfrieren. Das Waschbecken unterschlägt er (zu langweilig) und das Ausmessen des Badezimmers wird zur langwierigen Consulting-Fortbildung in Anbetracht der künftigen Tätigkeit als Klemager (Klempner+Manager).

Außerdem fabuliert er ein wenig über die Unvernunft der Menschen, die den Klempner rufen müssen, weil sie blöd genug waren, das Paket Binden der letzten Woche am Stück ins Klo zu werfen und daß er deshalb Scheiß-Arbeit hatte, er beschwert sich lautstark über die arroganten Zeitgenossen, die alle direkt vor dem Haus seiner Kundschaft parken, so daß der arme Klempner die schweren Heizkörper nicht nur in den dritten Stock, sondern vorher auch schon 100 Meter die Straße entlang schleppen musste.

Hmmm, wirkt alles irgendwie konstruiert.

Aber: was macht der Rettungsassistent den ganzen Tag lang?

Morgens beginnt er seinen Tag mit dem Fahrzeugcheck, anschließend ein kleines Frühstück mit großem Kaffee. Danach zwei Entlassungen, eine Ambulanzfahrt, wieder an der Wache gibts dann Kaffee, bißchen Auto putzen und Wache saugen. Einweisung einer nicht gehfähigen Person, danach was spannendes: ein Herzinfarkt, mit Notarzt. Einrücken in die Rettungswache, Kaffee, Mittagessen, Couch.

Nachmittags ein weiterer Notfall: Schnittverletzung in einem Betrieb. Danach gleich weiter: Verkehrsunfall, zwei mal Schleudertrauma. Munter weiter zum nächsten Notfall: Kreislaufprobleme, die Patientin bleibt aber zu Hause, weil es ihr schon wieder viel besser geht. Zum Abschluß des Tages noch zwei Entlassungen.

Zu Hause setzt sich der Rettungsassistent an seinen Computer und schreibt sein Blog: wie er den ganzen Tag lang bereit war, Leben zu retten, aber mit langweiligen Krankentransporten genervt wurde. Wie er dann endlich richtig gefordert wurde und unter laufender Reanimationsbereitschaft einen Herzpatienten versorgt und gleichzeitig den völlig unfähigen Notarzt unter Kontrolle gehalten hat. Wie er aber bei dem Verkehrsunfall über sich selbst hinausgewachsen ist und unter Einsatz seines Lebens zwei Menschen dem Schnitter Tod gerade noch so von der Schippe reißen konnte.

Außerdem läßt er sich ausgiebig aus über die Idioten, die nicht Auto fahren können, und meint damit vor allem all jene Fahrer, die gerade kein Blaulicht auf dem Dach haben und diejenigen, denen es einfach nicht gelingen will, sich beim Herannahen eines Rettungswagens einfach nur in Luft aufzulösen. Und natürlich läßt er die ganzen unfähigen Laien nicht aus, die für völlig unspektakuläre Verletzungen/Erkrankungen den Rettungsdienst alarmieren - das führt ja doch nur zu Einsätzen, in denen der Rettungsassistent völlig unterfordert ist, blockiert für spektakuläre Ereignisse, und von denen er hinterher nicht gut berichten kann - wer will schon langweiligen Standard hören...?

Hmmm, das klingt schon viel weniger konstruiert.

In vielen Blogs ist nachzulesen, wie sich Rettungsassistenten, Rettungssanitäter, Transportsanitäter, Notfallsanitäter oder wie die lieben Kollegen in den vielen Ländern auch immer heißen mögen, entweder über die anderen an Einsätzen beteiligten Personen auskotzen (Patienten, Notärzte, Polizisten, Feuerwehrleute, Angehörige, usw.), oder alternativ ihre genz persönlichen Glanzleistungen präsentieren. Oder beides...

Der jeweilige Autor ist natürlich immer der Gute, der Profi, der Macher und Könner, die arme Sau sozusagen, die sich inmitten einer unübersichtlichen und für alle Beteiligten lebensbedrohlichen Situation zurechtfinden muß und dabei ausschließlich von unfähigen Blasen umgeben ist, die im besten Fall seine Arbeit nicht stören.

Und selbstverständlich weiß der jeweilige Autor ganz genau, wie das ganze Rettungsbusiness besser laufen würde - sieht aber ein, daß er nichts tun kann, weil es ja eben niemals an ihm liegt. Fehler machen immer die anderen, und weiß Gott: sie haben niemals Gründe dafür.

Ganz ehrlich? Mir persönlich geht dieses Gehabe ein bißchen auf den Geist. Es erinnert mich an die Heißdüsen, die nach ihrem ersten Tag im Rettungswachenpraktikum ihren Kumpels erzählen, wie sie den ganzen Tag knöcheltief im Blut gewatet sind, immer auf dem Sprung, ein Leben nach dem anderen zu retten, die sich aber am zweiten Tag schon morgens die Finger an der Schiebetür klemmen und erstmal ne Woche krank sind.

Es gibt Dinge, die ghören zum Beruf. So wie der Klempner gelegentlich unangenehmen Gerüchen ausgesetzt ist, wenn er das Klo repariert, so gehört es zu den Aufgaben eines Rettungsassistenten, Krankentarnsporte zu fahren oder auf Menschen zu treffen die auch ohne den Rettungsdienst überleben würden, sich aber einfach nicht sicher waren, ob's schlimm ist.

Ebenso gehört zum Job, daß man sich mit Orgelspiel und Lichterglanz durch dichten Verkehr quält, während die anderen Verkehrsteilnehmer mit dieser Situation nur selten konfrontiert (und dementsprechend unsicher) sind.

Ich mache meinen Job als Rettungsassistent gerne, ich freue mich auch über Einsätze, wo ich mal zeigen kann, wie gut ich wirklich bin - aber ich sehe meine Stärke unter anderem darin, ruhig und gelassen zu bleiben, Probleme zu lösen, wenn sie sich mir stellen (ich muß sie nicht herbeireden), und auch darin, nicht andere (vor allem rettungsdienstliche Laien) abzuklassifizieren, weil sie von meinem Beruf keine Ahnung haben.

Im Gegenzug rufe ich den Klempner, wenn mein Klo verstopft ist...

Ich sehe meine Stärke auch darin, mit dem Verhalten anderer zu rechnen und mich darauf einzustellen. Vor allem, wenn ich den Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn durch den Stau vor der Ampel lenke. Ich muß mich da nicht aufregen - für die anderen sieht die Situation anders aus und sie wissen meist nicht, wie sie mir am besten helfen können. Ihnen fehlt der Überblick, den ich habe, weil ich ein gutes Stück höher sitze und über die PKWs drüberwegschauen kann.

Im übrigen sind die Einsätze, wo es wirklich auf jede Minute ankommt, sowas von selten - da kann man dann tatsächlich mal einen Blogeintrag zu verfassen.

Und deswegen mag ich Rettungsdienst-Blogs, wo nicht "Edward mit den Laryngoskop-Händen" schreibt oder sich jemand tumb über die Idioten ohne Verstand auslässt, die aus Unsicherheit Dinge falsch machen, die doch für einen ausgebildeten und erfahrenen Rettungsdienstler selbstverständlich sind. Wo nicht jemand herummault, daß der Tag "mal wieder nichts spannendes" gebracht hat, und er so gar nicht zeigen konnte, was für ein Mega-Crack er doch ist - sich aber im nächsten Absatz outet, daß er eh nur als Praktikant mitfährt.

Ich mag Rettungsdienst-Blogs, wo mit ein wenig Wortwitz und geschmeidiger Darstellung das eine oder andere Stück Alltag aufs Korn genommen wird - wo aber nicht aus jeder Zeile Blut trieft oder die Mahnung: "seht her, ich bin der Größte!".

Solche Blogs lese ich gern - alles andere ist in meinen Augen Heißdüsen-Generve und überflüssig.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da hast Du weiß Gott nicht unrecht. Ich hoffe nur Du zählst den Rettungsblog zu zweiter Kategorie.

;)

Fischkopp hat gesagt…

Oh, der Rettungsblog ist einer der besten aus diesem Umfeld, die ich kenne. Ich lese ihn ausgesprochen gern - gerade weil es nicht so'n Heißdüsen-Gejodel ist.