Samstag, 5. Juli 2008

Leben und sterben lassen ?

Hochaktuell mal wieder: das Thema Sterbehilfe.

Ausgelöst durch einen mediengeilen Exsenator, der vielleicht als Kind zu wenig Aufmerksamkeit bekam, dessen grundsätzliche Ansichten ich aber weitgehend teile. So es denn wirklich seine Ansichten sind und er nicht einfach nur aufmerksamkeitsbesetzte Themen aufgreift, um seinen Durst nach öffentlicher Wahrnehmung zu stillen.

Sei's drum - ich will mich mit dem Mann hier gar nicht weiter beschäftigen, sondern ein paar Gedaken zum Thema "Recht auf Freitod" zu Web bringen.

Ich persönlich verstehe Leben ja als den Zeitraum zwischen Werdung und Vergehen, zwischen Geburt und Tod also. Diesen Zeitraum haben wir irgendwie zu bewältigen und die herrschende Meinung geht richtigerweise von einem weitreichenden Selbstbestimmungsrecht aus - will sagen: sobald ein Mensch in der Lage ist, für sich selbst Entscheidungen zu treffen, darf er dies auch tun. Üblicherweise wird den Menschen dies zugetraut, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben; in Deutschland nennt man das "Volljährigkeit".

Wenn aber jemand, der volljährig ist, für all sein Tun verantwortlich ist - und natürlich auch die Konsequenzen zu tragen hat - warum spricht man ihm dieses Recht ab, wenn es um den eigenen Tod geht?

Und warum darf er sich - wenn er diesen Schritt schon geht - dabei nicht helfen lassen?

Jemandem zu helfen, etwas zu tun, was er alleine nicht fertigbringt, wird in unserer Gesellschaft immer dann gelobt und anerkannt, wenn das Ziel selber für "in Ordnung" befunden wird. Wenn ich der alten Dame über die Strasse helfe, weil sie es alleine nicht schafft, bin ich ein "guter Mensch". Wenn ich mich ehrenamtlich in der Feuerwehr engagiere und dort hineinlaufe, wo andere rausrennen, dann bin ich sowas wie ein "Held". Ja, manchmal fordert die Gesellshaft sogar, daß ich Hilfe leiste, vgl. §323c im StGB.

Wenn hingegen das Ziel der Unternehmung verboten oder sonstwie gesellschaftlich nicht anerkannt ist, dann bin ich natürlich kein guter Mensch, jedenfalls moralisch nicht, werde vielleicht sogar bestraft.

Wenn nun also Menschen an den Pranger gestellt werden, die anderen dabei helfen (wollen), sich umzubringen, dann kann das nichts anderes bedeuten, als daß man das Ziel "Selbsttötung" nicht okay findet.

Die Frage ist demnach nicht, ob es verwerflich ist, jemandem bei dessen Suizid behilflich zu sein, weil er es alleine nicht schafft, sondern die Frage ist, ob ein Mensch das Recht hat, sich selbst zu töten, oder ob dieses Recht nicht besteht. Und diese Frage ist vor dem Hintergrund zu beantworten, daß Menschen (wie oben gesagt) das grundsätzliche Recht haben, ihr Leben selbst zu gestalten.

Diejenigen, die dem Menschen das Recht auf ein selbstbestimmtes Ende absprechen, tun dies grundsätzlich mit dem Argument, daß der Mensch nicht das Recht habe, in "Gottes Willen" einzugreifen. Sie argumentieren aus verschiedenen Aspekten, aber im Grunde läuft es immer darauf hinaus.

Da kann ich nur sagen: wenn GOTT bestimmt, wann ich aus dem Leben scheide, dann wird ER auch bestimmen, wie ich es tue. Vielleicht beliebt es IHM, mir irgendwann auf der Landstrasse einen Baum in den Weg zu stellen, oder ER hat Freude daran, mich lange siechen zu sehen. Möglicherweise gefällt es IHM, mich mitten aus dem Kreis meiner Familie zu reissen, weil ER den Meinen eine Prüfung angedeihen lassen will.

Aber wenn ER derjenige ist, der mein Ende bestimmt, dann besteht für mich kein Zweifel daran, daß ER auch einen Knopf "Suizid" auf SEINER göttlichen Fernbedienung hat. Dann hat ER auch das Recht zu entscheiden, daß ich hier und jetzt und aus eigener Hand aus dem Leben scheide.

Und niemand hat das Recht, diese SEINE Entscheidung in Zweifel zu ziehen - erst recht nicht, wenn er mit IHM als dem einzigen Bestimmer des Weltenlaufes argumentiert.

Im Grunde ist das natürlich alles esoterisches Geschwafel - als strenggläubiger Atheist halte ich es denn doch mehr mit der Theorie, daß der Mensch selbst der Bestimmer ist. Götter sind in allen Zeiten erforderlich gewesen, um Unverstandenes zu erklären und um die Macht Einzelner zu sichern, die den jeweiligen Göttern gerade etwas näher standen als der Rest der Menschheit. Aus welchem Wahn diese Einschätzung auch immer entstanden sein mag.

Tatsächlich stehe ich auf dem Standpunkt, daß die schlimmste Geißel der Menschheit die Doppelmoral ist, die Unehrlichkeit sich selbst und den anderen gegenüber.

Ich denke da an Menschen, die in Umweltgruppen aktiv sind, die aber die zwei Kilometer zur Arbeit mit dem Auto zurücklegen. Oder diese Leute, die jeden Sonntag in die Kirche gehen und jeden Abend beten, aber tagsüber Hetze gegen Ausländer betreiben und nur sich selbst die Nächsten sind. Oder Priester, die sich Gottes Wort verschrieben haben, und nebenher kleine Kinder ficken.

Und in genau die gleiche Kategorie fallen auch diese selbstgefälligen Spacken, die einerseits ein Recht auf Selbsttötung verneinen, andererseits aber mit dafür sorgen, daß in dieser Gesellschaft kaum noch jemand alt werden mag - weil Altwerden oft genug Würdeverlust und Siechtum bedeutet.

Diese Menschen, die vehement fordern, Beihilfe zum Selbstmord zu bestrafen, das sind die gleichen, die ihre eigenen Eltern ins billigste Pflegeheim abschieben.

Die Leute, die dem Menschen das Recht auf ein selbstbestimmtes Ende absprechen - es sind doch dieselben, die über zu hohe Beiträge an die Pflegekasse jammern.

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß jeder Mensch das Recht hat, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Die Gesellschaft darf dies nicht länger zum Tabu machen, sondern sie muß Möglichkeiten schaffen, damit jeder Mensch dieses Recht auch wahrnehmen kann.

2 Kommentare:

Chefredakteur hat gesagt…

...ohne meine Meinung darüber kund zu tun.
Dürfen depressive Menschen dann auch Heroin nehmen, wenn es Sie glücklicher macht?

Fischkopp hat gesagt…

Wieso sollte das davon abhängig sein, daß es mich glücklicher macht?