Donnerstag, 3. Juli 2008

Tod durch Ignoranz

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate ist in den USA ein Mensch inmitten einer krankenhäuslichen Notaufnahme gestorben, weil das Personal sich einfach mal nicht drum gekümmert hat. Videoaufnahmen belegen, daß Mitarbeiter mehrfach die reglos am Boden liegende Frau zur Kenntnis genommen haben, jedoch ohne etwas zu unternehmen.

Sowas kann in Deutschland natürlich nicht passieren.
Weder im Krankenhaus, noch im Rettungsdienst.
Sollte man jedenfalls denken - sind doch die Deutschen bekannt dafür, gründlich und sorgsam ihre Aufgaben zu erfüllen, pflichtbewußt und akkurat zu handeln.

Natürlich gibt es so Situationen, wo jemand in der Rettungsleitstelle anruft ("den Notruf wählt") und an den ärztlichen Notdienst verwiesen wird, weil der Leitstellendisponent das Geschehen nicht für dringlich genug hält, einen Rettungswagen zu entsenden. Vielleicht, weil der Anrufer öfter mal anruft (sogenannter "Nervkunde") oder seine Situation nicht detailliert und dramatisch genug schildert (und der Disponent grad keine Lust auf aufwändiges Nachfragen hat). Oder auch, weil der Anrufer alle verfügbare Dramatik in Stimme und Inhalt legt und den Disponenten damit geradzu auffordert, alles für eine maßlose Übertreibung zu halten.

Natürlich gibt es auch Situationen, wo der Anrufer irgendwann in seinem Text das Wort "Hausarzt" erwähnt, wie zum Beispiel in "...und der Hausarzt ist nicht erreichbar..." - damit wird aber bei einigen Disponenten der SKS aktiviert, der "Synaptische Krankentransport-Schaltkreis". Völlig egal, was in dem Gespräch noch an Informationen enthalten war ("atmet nicht mehr", "blutet wie ein Schwein", "hat extreme Brustschmerzen", ...) - das schlichte Erwähnen des Terminus "Hausarzt" klassifiziert den Einsatz zu einem Krankentransport ohne jede Dringlichkeit.

Klar, auch im Krankenhaus gibt es Vorfälle, wo dem Patienten gesagt wird "hier sind Sie leider falsch, da müssen Sie ins Anderes-Ende-der-Stadt-Krankenhaus" - was auch völlig korrekt ist, weil die eigene unterbesetzte Notaufnahme gerade aus allen Nähten platzt, weil der Pizzaservice gerade das Essen geliefert hat, oder weil im Ersten gerade der Tatort läuft. Alles Situationen, wo selbstverständlich nicht mal eine Erstversorgung möglich ist, weil alle Ärzte unabkömmlich gebunden sind.

Selbst wenn man auf der Trage vom Rettungsdienst in die Notaufnahme geschoben wird, ist das noch lange keine Garantie dafür, auch zumindest angeschaut werden - jedenfalls nicht sofort. Der Klassiker sind Patienten, die aufgrund eines akuten Schlaganfalls gestürzt sind und nun auch noch eine kleinere Kopfplatzwunde mit sich führen. Die kann der Neurologe so ja gar nicht behandeln, dafür ist erstmal der Chirurg zuständig - der einen selbstverständlich sofort zu den Neurologen zurückschickt, weil die Wunde nicht mal mehr blutet...

Oh, natürlich wären alle diese "kritischen Ereignisse" geeignet, einen Patienten sterben zu lassen, weil die richtige (adäquate) Hilfe nicht in der gebotenen Eile zur Verfügung gestellt wird.

Dennoch werden wir diese amerikanischen Verhältnisse nicht bekommen, weil wir deutschen eben so gründlich sind. Nämlich im vertuschen und verschleiern, oooh, das können wir gut, viel besser als die dämlichen Amis.

Außerdem haben wir mehr Corpsgeist - bevor hierzulande ein Disponent oder ein Krankenhausmitarbeiter seinen Job verliert, weil er völlig verantwortungslos handelt, fängt sich der Kollege, der das meldet (und sei es nur intern), eine Abmahnung ein. Nestbeschmutzer mag man hier nicht!

Kein Disponent wird sich bei der Arbeit filmen lassen, stattdessen hat er die Möglichkeit, auch noch die Tonbandaufzeichnung abzuschalten. Muß er wohl gegen den Schalter gekommen sein...

Und auch im Krankenhaus würde sich natürlich niemand so dämlich anstellen, und videodokumentiert Mist bauen. Kameras scheitern in der Regel an den Personal- und Betriebsräten (vorausgesetzt, sie sind nicht eh schon zu teuer), und falls nicht, können Aufzeichnungen immer noch durch Mitarbeiter gelöscht oder veschwunden werden - schließlich hat jeder im Unternehmen ein Interesse am guten Ruf des Hauses.

Und wenn alles schiefgeht, blockt halt die Geschäftsführung alle Ansprüche ab. Bevor noch ein Imageschaden entsteht.

Die beiden betroffenen Krankenhäser in den USA werden garantiert ihre Konsequenzen ziehen. Abgesehen davon, daß die betroffenen Mitarbeiter sofort fristlos gekündigt wurden, werden dort unter Garantie nun die Prozesse verbessert, damit sich so etwas nicht wiederholen kann.

Für unser Land kann man nur hoffen, daß es einen nicht selber trifft.

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