Donnerstag, 14. August 2008

Kein Kapital ?

In den vergangenen Jahren sind viele Staaten mit kommunistischer/sozialistischer Ausrichtung untergegangen und haben den Weg zur Demokratie gefunden. Ich möchte mich heute mal mit der Frage beschäftigen, wie es dazu kam - bzw. warum es dazu kommen musste.


Die Gesellschaftsform des Sozialismus beruht im Wesentlichen auf den Grundwerten "Gleichheit" (der Wert aller Menschen ist gleich, alle haben die gleichen Rechte und Pflichten), "Gerechtigkeit" (jedem Menschen stehen die gleichen Mittel und Chancen zur Verfügung, niemand wird bevorzugt) und "Solidarität (alle stehen füreinander ein, die "gemeinsame Sache" ist der Maßstab).


Der Kommunismus geht noch einen Schritt weiter, indem er die Aufhebung aller Klassen fordert und propagiert, daß alles allen gehören muß (kein Privateigentum) und die erwirtschafteten Güter wiederum allen gehören.


Der Weg zum Kommunismus führt also über den Sozialismus: zunächst muß dafür gesorgt werden, daß alle Menschen die gleichen Rechte, Pflichten und Chancen haben, danach kann man umsetzen, daß alles "allen" gehört.


Den real existierenden Kommunismus hat es nirgends gegeben, weil alle Staaten, die es versucht haben, bereits in der Umsetzung des Sozialismus steckengeblieben sind. Warum ist das so?


Die Antwort ist furchtbar einfach: weil wir Menschen nunmal nicht so sind.


Die Menschen sind seit Beginn der Menschheit immer darauf angewiesen gewesen, sich gegen andere abzugrenzen. War in der Urzeit der Jäger heute erfolgreich, so war das keine Garantie dafür, daß er es auch morgen sein würde - also musste er Vorräte anlegen. Wer bereits heute keinen Erfolg hatte, hatte eben Pech (und hoffentlich noch Vorräte von gestern).


Der eigene Überlebenswille war stets stärker als der Wunsch nach einem Überleben aller.


Dieses Verhalten hat sich bis heute gehalten, es ist evolutionär so tief in uns Menschen verankert, daß es nicht zu knacken ist. Wer würde schon freiwillig auf Nahrung verzichten, um jemand anderen zu füttern, wenn er nicht weiß, ob er dann selbst noch überleben kann?


Im Lauf der Zeit haben sich zwar Gruppen gebildet, Familien und Sippen, Stämme und Dörfer, und innerhalb so einer Gemeinschaft wurde durchaus geteilt. Allerdings wurde auch gemeinsam gejagt (die Verständigung fand also schon vorher statt).


Vor allem aber: es ist wissenschaftlich erwiesen, daß die "magische Zahl der Gemeinschaft" die 30 ist. Gruppen waren stets am erfolgreichsten, wenn sie etwa 30 Mitglieder hatten. Deutlich kleinere Gemeinschaften gingen über kurz oder lang zu Grunde, wurde die Gruppe merklich größer, so fand eine Teilung statt.


Das hängt auch damit zusammen, daß man nicht unendlich viele Menschen als seine "Nächsten" betrachten kann, mit denen man (alles) teilen mag. Gemeinschaften sind in diesem Sinne eher als Zweckgemeinschaften aufzufassen, die erforderlich sind, um besser zu (über)leben, aber - und das kennt auch heute jeder - je größer die Gruppe, umso schneller gibt es Streit und es bilden sich Gruppen innerhalb der Gruppe. Sobald eine dieser "Untergruppen" stark genug ist, das eigene Überleben sicherzustellen, spaltet sie sich endgültig ab.


Das wiederum bedeutet aber nichts anderes, als daß es schlicht unmöglich ist, alle Menschen eines Staates zu einer einzigen Gemeinschaft zusammenzufassen, in der jeder für jeden einzustehen bereit ist.


Die Forderung nach "Solidarität" ist damit nicht mehr auf Staatsebene durchsetzbar.


Wenn aber die Solidarität aller Bürger nicht mehr gegeben ist, hat auch Gerechtigkeit keine Chance mehr, denn Gerechtigkeit fußt auf der Solidarität:

Wenn ich zwei Hasen erlegt habe und mein Nachbar keinen, wäre es doch gerecht, wenn ich ihm einen abgebe, damit er nicht hungert. Das ist das, was unsere Kinder im Kindergarten lernen. Wahrscheinlicher aber ist, daß ich ihm bestenfalls ein Stück von meinem Hasen abgebe, damit er nicht verhungert, den Rest jedoch hänge ich in die Vorratskammer. Das ist ungerecht, weil ich somit weiß, daß ich auch morgen was zu essen habe, während mein Nachbar sich die ganze Nacht Sorgen macht, ob er wohl morgen was fängt. Aber es entspricht der Natur des Menschen.


Somit ist auch die Forderung nach "Gerechtigkeit" nicht durchzusetzen.


Bleibt also noch die Gleichheit. Der jedoch steht die Natur selbst im Weg, denn die Menschen sind nicht gleich. Hat der eine mehr musische Begabungen und der andere eher geistige, so ist der dritte vielleicht handwerklich geschickt. Alle drei zusammen können einen Konzertsaal realisieren (einer plant, einer baut, der dritte singt), aber der Handwerker wird auch besseres Jagdwerkzeug (Waffen) bauen, der Denker erkennt vielleicht, wann und wo sich die Jagd besonders lohnt - sie beide haben etwas zu tauschen. Der Musiker ist jedoch auf beide angewiesen und somit von ihnen abhängig.


Sobald jedoch nur die geringste einseitige Abhängigkeit entsteht, ist Gleichheit nicht mehr gegeben. Streng genommen ist Gleichheit bereits ausgeschlossen, wenn überhaupt Abhängigkeiten entstehen, aber ich will gar nicht so streng sein - solange vorhandene Abhängigkeiten gegenseitig ausgeglichen werden können (wie zwischen Handwerker und Denker) bleibt das Gleichgewicht wenigstens gewahrt.


In diesem Beispiel wird also der Musiker im gemeinsam errichteten Konzerthaus singen und kann nur hoffen, daß die beiden anderen ihm dafür etwas zu essen erjagen. Das funktioniert genau so lange, wie Handwerker und Denker genug Beute machen und sich den "Genuß Kunst" leisten können. In schlechten Zeiten jedoch werden sie zuallererst auf die Musik verzichten (schon weil sie mehr Zeit für die Jagd brauchen) - und der Musiker verhungert als erster.


Ungleichheit ist also naturgegeben, "Gleichheit" daher staatlich nicht zu verordnen.


Fazit bis hierher: das Gesellschaftsmodell des Sozialismus beruht auf drei Grundpfeilern, die durch staatliche Gewalt aber nicht hergestellt werden können.


Und die reale Umsetzung?


Wenn man versucht, Sozialismus in einem Staat real umzusetzen, muß man zwangsläufig gegen die Natur der Menschen handeln. So etwas hat aber zur Folge, daß die Menschen weglaufen möchten, um sich diesem widernatürlichen Einfluß zu entziehen. Der Staat ist also gezwungen, die Menschen am Weglaufen zu hindern, sprich: einzusperren.


"Einsperren" bedeutet aber automatisch auch Abgrenzung: es gibt sofort und ganz automatisch zwei Gruppen, nämlich die, die eingesperrt sind, und jene, die einsperren. "Gleichheit" ist damit ausgeschlossen.


Und in der Natur des Menschen liegt nun wiederum der nächste Stolperstein: Wenn ich jemaden einsperren darf, bin ich mächtiger als er. Und wenn ich mächtiger bin, steht mir auch die größere Ration zu. Da ich den Eingesperrten mitversorgen muß, ist er von mir abhängig. Über "Gerechtigkeit" brauchen wir also nicht mehr zu reden.


Die UdSSR verstand sich als "Mutterland des Sozialismus" - die Menschen jedoch genossen keine Reisefreiheit, stattdessen gab es besondere Fahrspuren für die Führungselite. Das hat mit Gleichheit nichts zu tun.


Zudem entwickeln die Menschen in jeder Situation Verhaltensweisen, um ihr eigenes Überleben zu sichern und ihren Komfort - soweit möglich - zu erhöhen. Ist dies unter den staatlich verordneten Bedingungen nicht legal möglich, werden Kollaterale entwickelt, das kennt jeder von der Steuererklärung: Wege werden gesucht und gefunden, um Gesetze zu umgehen, Lücken auszunutzen, staatliche Organe auszutricksen usw. - es geht dem Einzelnen nur noch darum, sich selbst (oder ggf. die eigene kleine Gruppe, z.B. die eigene Familie) besser zu stellen.


Mit anderen Worten: die Natur des Menschen bringt ihn dazu, sich unter dem geschilderten Druck genau entgegengesetzt der sozialistischen Ordnung zu verhalten.


Fazit: die Gesellschaftsform "Sozialismus", bezogen auf einen ganzen Staat, läuft der Natur des Menschen vollkommen zuwider und darum werden sich Menschen immer mit allen ihren Möglichkeiten dagegen wehren (und seien diese Möglichkeiten noch so eingeschränkt).


Wenngleich die Idee des Sozialismus gute Ansätze enthält, kann sie nur in kleinen Gruppen funktionieren und auch dort nur, wenn dem Einzelnen trotz allen Gemeinsinns noch "private Nischen" bleiben, in denen er sich auch selbst produzieren kann.


Der Versuch, einen sozialistischen (oder gar kommunistischen) Staat zu realisieren, ist sozusagen systemimmanent zum Scheitern verurteilt, denn er führt zwangsläufig in die Diktatur. Etliche Staaten haben bereits unter Beweis gestellt, daß dieser Weg nicht auf Dauer funktioniert - und ich bin sicher, die letzten werden es auch noch kapieren. Irgendwann.

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