Samstag, 2. August 2008

Nachtschicht...

So eine Nachtschicht im Rettungsdienst kann ja ganz schön entspannend sein:

Man beginnt üblicherweise damit, die Kollegen vom Tagdienst zu bedauern, die gerade von der neunten Tour zurück sind und eine Quote Krankensport zu Lebensrettung von 7:2 zu verzeichnen haben. Dann setzt man sich einen Kaffee auf, hüllt sich in ein lustiges Gewand, geht den Pflasterlaster durchchecken und greift sich schließlich den frischen, wohlduftenden Kaffee nebst Kippen und stellt sich in aller Ruhe auf den Balkon.

Der Copilot und die inzwischen frisch geduschte Tagdienstbesatzung gesellen sich schnell hinzu und gemeinsam fabuliert man noch ein wenig über dieses und jenes (in letzter Zeit waren es vor allem die jeweiligen Urlaubspläne), bevor die einen ihren Feierabend antreten und man selbst sich auf die Herausforderungen der nächsten nur noch elfkommafünf Stunden vorbereitet - indem man das Fernsehprogramm aufschlägt und sich einen Plan für den Abend macht.

Alsdann flätzt man sich in aller Gemütsruhe auf die Couch, läßt sich von dem üblichen Mist berieseln, beginnt gegen 21:30 mit dem Schicksal zu hadern, daß man wieder mal zu faul war, in die nächste dienstbereite Videothek zu fahren, statt sich mit dem gebühren- und/oder werbefinanzierten Dreck zu begnügen, der einem da angeboten wird - aber inzwischen lohnt es sich auch nicht mehr, eine schicke Action-DVD zu besorgen, denn das hieße ja, frühestens um eins die Erholungsphase zu beginnen, und angesichts des nahenden Schichtwechsels um 7 Uhr wird das dann knapp mit fitsein am nächsten Tag.

Also legt man sich irgendwann zwischen zehn und elf auf die Ruhekoje und begibt sich in den Zustand der entspannten Einsatzbereitschaft. Wenn man Pech hat, wird man des Nächtens herausgeklingelt, mit großem Pech sogar zweimal - und wenn es übel läuft noch öfter.

Gestern Nacht lief es ganz übel. Der erste Ausrücker ereilte uns bereits zwischen Umziehen und Kaffee rauchen, und wo wir dann schonmal unterwegs waren, hatten die Fahrenlasser von der Einsatzzentrale gleich vier Anschlußtouren.

Klar - der erste Einsatz war natürlich ein Notfall; man rief uns zu einem "Verdacht auf Herzinfarkt", der sich dann als ICN herausstellte. Die Patientin war dabei so derart aufgeregt, daß unser Notdruide sie mit ein paar Milligramm einer Substanz anfixte, die einem schnell alles scheißegal sein läßt. Da die gute Dame hierbei ein wenig überschiessend reagierte (will sagen: sehr reichlich müde wurde), beförderten wir sie zur Überwachung ins nahegelegene Krankenhaus der Maximalversorgung*.

Die vier bereits erwähnten Anschlußtouren waren allesamt vom Typ "dringende Entlassung". Die Patienten mussten entweder ganz schnell wieder aus der Ambulanz in ihr jeweiliges Pflegeheim ("sonst gibt es kein Abendbrot mehr"), oder die Angehörigen, die uns am Zielort mit den Wohnungsschlüsseln behilflich sein wollten, hatten "nur ganz wenig Zeit". Nee, is klar...

So gegen 22 Uhr haben wir dann unsere Wache wiedergesehen, und ich habe mir vorsichtshalber gleich mein Essen in den Atomofen gestellt, man weiß ja nie. Und als wenn ich es geahnt hätte: der Piepser ging exakt in dem Moment los, als ich mein dampfendes Pastagericht aus der Mikrowelle zog. Natürlich wieder ein Notfall, also keine Zeit zum Essen - nur schnell eine Gabel voll in den Mund gegen den schlimmsten Hung... --- AUA!!! --- Scheiße.

Der Rest ist schnell erzählt: ein Verkehrsunfall, zwei Hausunfälle, zwei weitere Entlassungen, und schwupps war es halb sieben. Die Tagschicht kommt jeden Moment, die Kaffeemaschine läuft (die eklige Brühe von gestern abend habe ich dann nach 10 Stunden auf der Warmhalteplatte komplett weggekippt) und ich will nur noch eins: nach Hause ins Bett.

Als dann wenig später die beiden Kollegen zum Tagdienst auf den Hof fuhren, waren wir schon auf dem Weg zu einem Suizidversuch. Natürlich hinter verschlossener Tür, so daß wir erstmal auf die Spezialisten der örtlich zuständigen Feuerwehr warten mussten, die zwar fix da waren, aber mit der Tür so ihre liebe Mühe hatten. Nach 20 Minuten konnten wir die Wohnung betreten, um ein offenbar mit Tabletten und Alkohol vollgepumptes Männchen vorzufinden, das inmitten diverser Körperausscheidungen vor sich hin stank. Der erste Kurzcheck ergab, daß der berühmte "letzte Ködel" noch nicht dabei war, also volles Programm: umfangreiches Absaugen, Intubation, Magenspülung mit Asservierung, Sicherstellen der herumliegenden Tütchen, Flaschen, Dosen und Blister, aufwändige Rettung aus dem dritten Stock mittels der zwischenzeitlich eingetroffenen Drehleiter unter vollständigem Einsauen der eigenen Klamotten mit will-ich-nicht-wissen.

Die Übergabe im Krankenhaus verlief routinemäßig, das Aufklaren des Rettungsmobils hat der Tagdienst übernommen, ich bin frisch geduscht und inzwischen zu Hause und von vier Tassen Kaffee ein wenig aufgeputscht.

Aber gleich, gleich geh ich schlafen, und heut abend wird es ruhiger.
Ganz bestimmt.
Hoffe ich.



*: Maximalversorgung heißt, daß wir hier nicht nur Kaffee bekommen, sondern wahlweise auch Kakao, Tee, Schokoriegel, süße ledige Schwestern, ...

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