Donnerstag, 14. August 2008

Olympia? Olymp - Ja !

Der Sport hat die Welt mal wieder fest im Griff. Olympische Spiele in China (nebenbei: es ist nicht die Olympiade, sondern die Olympischen Spiele - "Olympiade" ist der Begriff für den 4-Jahres-Zeitraum vom Beginn der Spiele bis zum Beginn der nächsten Spiele!) und die Welt schaut zu.

Vergessen ist Tibet, vergessen ist der menschenverachtende Umgang der chinesischen Führung mit der eigenen Bevölkerung. Die letzte Großmacht, die das notwendige (weil systemimmanente) Scheitern des Sozialismus noch nicht kapiert hat, präsentiert sich einer sportbegeisterten Welt - und alle Politik, alle Kritik gerät in den Hintergrund.

Und China räumt ab. Platz 1 der Medaillienliste ist dem chinesischen Team kaum noch zu nehmen; kaum ein Wettkampf, wo nicht wenigstens ein Chinese oder eine Chinesin auf dem Treppchen steht - oft genug ganz oben.

Nicht, daß ich ihnen das nicht gönnen würde. Im Land der unterdrückten Möglichkeiten stehen Disziplin und "Leistung für das Land" ganz oben auf der Werteskala. Doch darf man sich fragen, wie ein Land, das auf Platz 11 der "ewigen Medaillienliste" (mit gerade einem Zehntel des Tabellenführers USA) steht, plötzlich so abräumen kann.

Da ist einerseits die Isolation - ich weiß nicht, bei wie vielen Spielen China nicht angetreten war, weil man Angst hatte, seinen Sportlern die Welt auf der anderen Seite des chinesischen Tellerrands zu zeigen. Und entsprechend Schiß hatte, die eigenen Sportler könnten "überlaufen" und sich am Rande der Spiele in die freie Welt absetzen.

Das wäre aus Sicht der chinesichen Regierung ja zu verstehen - wenn ich meine Frau zu Hause festketten und sie mißhandeln und unterdrücken würde, müsste ich ja auch damit rechnen, daß sie bei der ersten besten Gelegenheit stiften geht.

Auf der anderen Seite ist es natürlich das Image - wir Deutschen haben 2006 ja auch gehofft, daß die deutsche Mannschaft als Weltmeister aus der Fußball-WM in Deutschland hervorgeht. Sieger im eigenen Land zu werden ist natürlich was ganz besonderes, und diesen Wunsch muß man auch den Chinesen zugestehen. Also wurde mit Sicherheit alles daran gesetzt, so gut wie irgend möglich abzuschneiden.

Drittens mußte sich China für die Spiele - als Gastgeber - nicht im Voraus qualifizieren. Das muß kein Vorteil sein, kann es aber - denn es ist einfacher, Höchstleistungen über einen kurzen Zeitraum (im Extremfall in nur einem einzigen Wettkampf) zu erbringen, als dies über eine längere Phase tun zu müssen.

Insgesamt steht aber zu befürchten, daß die chinesischen Sportler aufgrund der ersten beiden Punkte noch viel mehr unter Druck gesetzt wurden, als dies früher der Fall war. Abgesehen davon, daß die es sich garantiert nicht aussuchen können, ob sie mal einen Tag in der Woche weniger als 16 Stunden trainieren, will ich gar nicht wissen, welche Konsequenzen ihnen versprochen (für den Fall des Sieges) oder auch angedroht (für den Mißerfolgsfall) wurden.

Wundern würde mich indes auch nicht, wenn die alle auf eine ganz perfinde Art und Weise gedopt sind - irgendetwas, was nicht nachvollziehbar ist. Man darf nicht vergessen, daß China ein weitgehend abgeschottetes Land ist, in dem die Regierung sogar die Menge und Zusammensetzung des Wassers kontrollieren kann, mit der ich meinen Haufen runterspüle. Wenn die wollen, können sie mit Sicherheit dafür sorgen, daß bestimmte Dopingmaßnahmen nicht auffallen.

Und heute schreiben die Blätter, daß vermutlich ein Teil der chinesischen Olympiamannschaft das vorgeschriebene Mindestalter von 16 Jahren noch gar nicht erreicht hat. Wundert das jemanden? Das Land, in dem weibliche Säuglinge getötet werden (weil jede Familie nur ein Kind haben darf und Jungs einfach billiger sind), ihnen anderenfalls die Füße stramm eingewickelt werden (weil Mädchen mit kleinen Füßen als besonders schön gelten), was zu Verkrüppelungen und lebenslangen Schmerzen führt, das Land, in dem Kinder schon mit 2 Jahren auf Leistungssport getrimmt werden und in ein tiefes soziales Loch fallen, falls sie die überzogenen Anforderungen nicht erfüllen - erwartet hier irgendjemand, daß in diesem Land Rücksicht auf das Individuum genommen wird? Also, ich nicht.

Wie dem auch sei - rein aus Gründen der weltpolitischen Harmonie wird das alles weitgehend unsanktioniert bleiben, man konzentriert sich auf den Sport und tut so, als sei alles in Ordnung.

China präsentiert sich der Welt so, wie es wahrgenommen werden will, und nicht so, wie es ist. Und die Welt nimmt China so wahr, wie es sich präsentiert - kaum einer wird die Möglichkeit haben, das wahre Gesicht dieses menschenverachtenden Landes wahrzunehmen. Nach den Spielen wird das Interesse schnell wieder abebben und alles ist wieder beim alten.

Schade, daß die Welt die Chance verpasst, die Spielregeln der Menschenwürde ein Stückchen weiter durchzusetzen - aber 1936 in Berlin hat die Welt diese Chance auch schon nicht genutzt, und trotzdem ist was aus uns Deutschen geworden. Hat viel Blut und Tränen gekostet, Leid gebracht und Menschenleben gefordert, aber irgendwann wurde alles gut.

Hoffen wir also das Beste für China - und ganz egoistisch: hoffen wir, daß der große Knall einigermaßen in der Region bleiben wird und uns nicht mit den nächsten Strudel des Verderbens zieht.

"Dabei sein ist alles" muß ja nicht für jeden Mist gelten, oder?

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