Der Radiowecker neben der Pritsche zeigt in leuchtendem Rot 03:22 - es ist die Zeit, zu der man tief und fest schlafen sollte, in den Träumen haben jetzt die Sommer-Sonne-Sandstrand-Kulisse nebst einiger Bikini-Schönheiten und einem Eimer Sangria das Sagen, Körper und Geist erholen sich von den Strapazen des vergangenen Tages und bereiten sich auf jede des neuen vor und.......
Piep-Piep-Piep-Piep-Piep.....
Nach nur wenigen Sekunden realisiere ich, daß es nicht das Warnsignal des Sangria-Eimers ist, das mich auf einen bedrohlich niedrigen Füllstand aufmerksam machen will, sondern daß es hier nur einen einzigen Grund für diesen nervigen Lärm geben kann:
EIN MENSCH IST IN HÖCHSTER NOT !!!
Rein in die Klamotten, rauf auf's Auto, Tor auf, Motor an, raus aus der Fahrzeughalle - Blick auf den Digitalmelder, dieses Wunderwerk der nonverbalen Kommunikation - Okay, Strasse ist bekannt, ab geht's.
"Unklar internistisch" lautet das Stichwort, was nicht verwundert: der Kollege in der Leitstelle, der diesen Notruf entgegennahm, ist bekannt dafür, erst zu alarmieren und dann zu fragen. Also, ich meine damit, daß er hinterher anruft, wenn wir wieder an der Wache sind, und fragt, was denn eigentlich los war...
In diesem Fall stellen wir vor Ort fest, daß es "unklar internistisch" gar nicht trifft - es hätte eher "unklares Hilfeersuchen" lauten müssen, denn die Patientin hat nicht die geringste Ahnung, was wir bei ihr wollen. Stattdessen imponiert ein ausgeprägtes Kopfkissenfalten-Muster auf ihrer rechten Wange und unterstreicht das Erscheinungsbild "schlaftrunken" auf geradezu bühnenreife Art und Weise.
Okay machen wir den Basis-Check der etwas anderen Art:
Adresse? Stimmt.
Name? Stimmt auch (was bei "Müller" aber nicht viel heißen mag...)
Mehr können wir gerade mal nicht abgleichen - aber da ist ja noch der liebe Kollege von der Leitstelle. Der kann sich das ganze zunächst auch nicht recht erklären, hört aber sicherheitshalber das Band nochmal ab. Am Ende der Warteschleife bestätigt er uns alle Angaben nochmal und ist zutiefst überzeugt, daß da wirklich ein Notfall vorzuliegen schien.
Auf unser Bitten hin dürfen wir beim nun folgenden erneuten Bandabhören mitlauschen. Stimmt, alle Angaben passen und die Anruferin scheint wirklich aufgeregt zu sein. Wir denken schon an Schlafwandelei der immer noch vor uns stehenden Nicht-Patientin.......doch Moment.
Ich: "Spiel das Band noch mal vor bitte."
Disponent: "Okay, Moment..."
Band: "Disponent: Einsatzleitstelle X-Stadt, mein Name ist Ypsilon, guten Tag..."
Ich: "Wieso hast Du Dich eigentlich nicht mit 'Notruf' gemeldet...?"
Disponent: "Mist. Das war ja eine normale Amtsleitung."
Ich: "Genau. Der Anruf kann sonstwo her gekommen sein."
Wie entschuldigen uns bei der aufgeweckten Dame für die Störung, wünschen noch eine gute Nacht und verabschieden uns Richtung Wache. Dort angekommen klingelt kurz später das Telefon: der freundliche Kollege von der Leitstelle erzählt uns, daß die Frau nun nochmal angerufen hat - die ganze Dramatik spielte sich in Wirklichkeit in einem kleinen Kaff in Südhessen ab, aber sie hatte "von damals noch" die Amtsnummer der Rettungsleitstelle in ihrem Handy.
Der Radiowecker neben der Pritsche zeigt in leuchtendem Rot 03:56 - eine Zeit, zu der ich mich gerne wieder hinlege, die Äuglein schliesse und hoffe, daß die besagten Bikini-Schönheiten noch am Strand sind...
...während irgendwo im südlichen Hessen gerade der Sangria-Eimer mitzuteilen versucht, daß er fast leer ist.
Oder so ähnlich. ;-)
Donnerstag, 21. August 2008
Morgens, drei Uhr zweiundzwanzig...
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