Freitag, 23. Mai 2008

Der Kochlöffel liegt stets bereit.

"...dann setzt es was" war eine der regelmäßigen Drohungen, die meine Jugendfreundin Bianca immer zu hören kam, wenn sie irgendwas auszufressen drohte. Wir waren damals so 14, 15 Jahre alt - klar, daß man in dem Alter nicht alle Regeln akzeptiert, sondern vielmehr seine Grenzen auslotet.

"...dann setzt es was" war die angedrohte Konsequenz für vielerlei Dinge: zu spät nach Hause kommen, schlechte Schulnoten, die aufgetragenen Arbeiten im Haushalt nicht machen, heimlich rauchen, und so weiter.

Natürlich gab es auch eine Steigerung: Als es in der Schule zu einer Diebstahlserie kam und der ganze Klassenverband unter Kollktivverdacht stand, hieß es "wenn Du damit was zu tun hast, dann setzt es richtig was." Hatte sie zum Glück nicht.

Und es blieb nie bei der Drohung. Bianca hat mir ein paar mal gezeigt, wie sowas dann hinterher aussieht, und einmal musste ich es sogar live miterleben, es ging rasend schnell: ihre Mutter hatte für den Fall der Fälle stets einen Kochlöffel bereitliegen, mit dem sie ihrer Tochter wann immer sie es für nötig hielt den Hintern versohlte, und zwar so heftig, daß es deutliche Hämatome gab.

Ich hatte das Glück einer gewaltfreien Erziehung, aber ich wusste auch damals von einigen Jungs und Mädels in meinem Umfeld, daß es ihnen nicht viel besser ging als Bianca. Was mich daran bis heute fasziniert, ist folgendes: die meisten dieser ehemaligen Schulkameraden haben bis heute ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Ich bin mir nicht sicher, ob das auf Verdrängung oder auf Vergebung zurückzuführen ist - aber ich glaube, wenn mir das wiederfahren wäre, ich würde meine Eltern mit dem Arsch nicht mehr anschauen - den hätten sie dann ja auch schon oft genug gesehen...

Warum schreibe ich das? Heute wurde eine Studie der Hamburgischen Gerichtsmedizin veröffentlicht, die detailliert belegt, daß diese Art der "Kindererziehung" offenbar noch immer an der Tagesordnung ist. Die Studie belegt auch andere Formen der Gewalt gegen Kinder, wie seelische Mißhandlung oder sexuellen Mißbrauch. Ersteres irgendwie miterlebt zu haben, kann ich mich nicht erinnern - dazu kann ich also nichts sagen. Und was sexuellen Mißbrauch angeht: das ist gelegentlich einen eigenen Beitrag wert.

Aber diese Einstellung "Schläge haben noch nie geschadet" bringt mich regelmäßig auf die Palme. Kinder sollen lernen, mit Konflikten gewaltfrei umzugehen, sie sollen lernen, daß nicht der Stärkere recht hat, daß man Probleme nicht löst, indem man dem anderen weh tut. Kinder sollen lernen, aus Einsicht heraus zu handeln, und nicht aus Furcht vor schmerzhaften Konsequenzen.

Sie sollen lernen, sich mit Problemen geistig auseinanderzusetzen, und sie sollen lernen, was ihr Verhalten für andere bedeutet. Wenn Bianca früher eine halbe Stunde zu spät nach Hause gekommen ist, konnte sie am nächsten Tag nicht richtig sitzen - heute kommt sie zu Verabredungen fast immer zu spät, denn sie "genießt" die Freiheit, fürs zu-spät-kommen nicht mehr geschlagen zu werden. Aber daß man sich darauf verlässt, daß sie pünktlich ist, und daß man deswegen eine halbe Stunde allein im Café sitzt und sich langweilt - das hat sie nicht verinnerlicht.

Schläge sind kein Erziehungsmittel, sondern ein Mittel zur Unterdrückung. Sie schaffen keine Einsicht in die eigentliche Problematik, sondern führen nur vorübergehend zum "Erfolg". Langfristig sinnvolle Erziehung sieht anders aus.

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