Freitag, 30. Mai 2008

Das Leiden der jungen Afghanin

Heute las ich im Hamburger Abendblatt einen Bericht über die Leidensgeschichte von Morsal O. - zur Erinnerung, das ist die junge Afghanin, die vor kurzem in Hamburg von ihrem Bruder erstochen wurde, weil ihm ihr westlicher Lebensstil nicht zusagte.

In diesem Bericht wird aufgezeigt, daß Morsal bereits seit wenigstens zwei Jahren beständig von ihrer Familie - ihren Eltern, ihrer älteren Schwester, ihren Brüdern - drangsaliert wurde. Von Faustschlägen und Fußtritten ist die Rede, von einem Vater, der ihr sein Knie in die Magengrube rammt, von einer Schwester, die ihr das Gesicht zerkratzt und von Brüdern, die das Mädchen würgen und ihr Zähne ausschlagen - und von einer Mutter, die ihre Tochter mit einem Elektrokabel grün und blau prügelt.

Morsal ist in diesem Zeitraum zwischen 14 und 16 Jahre alt gewesen - und älter wurde sie dann ja auch nicht.

Dieser Bericht zeigt aber auch auf, daß Morsal immer wieder die Polizei um Hilfe rief, daß die Polizei sie mehrmals aus dem familiären Umfeld nahm, daß Jugendamt und Kinder- und Jugendnotdienst eingeschaltet waren. Es wird ebenfalls deutlich, daß Morsal mehrfach Strafantrag stellte, diesen aber immer wieder zurücknahm, daß sie immer wieder die Aussage verweigerte - angeblich waren Polizei, Staatsanwaltschaft und letztlich auch dem Jugendamt somit die Hände gebunden.

Aber es wird auch deutlich, daß es über den ganzen Zeitraum Zeugen gegeben haben muß, daß in wenigstens einem Fall sogar Polizisten Zeugen von Gewalt gegen Morsal wurden.

Eine der größten Errungenschaften der westlichen Welt sind die Menschenrechte, und gerade wir Deutschen können stolz sein auf eine Staatsordnung, ein Grundgesetz, wo dem Grundrecht "persönliche Freiheit" ebenso wie einem fairen Rechtssystem ein besonderer Stellenwert eingeräumt wird.

Doch darf das dazu führen, daß eine Minderjährige, die ganz offensichtlich mißhandelt wird, dem Druck ihrer Peiniger ausgesetzt bleibt? Kann es sein, daß sich der Staat auf den Standpunkt zurückzieht, erst durch Strafantrag und Aussagen des Opfers sanktionierungsfähig zu werden - wenn doch allen Beteiligten klar sein muß, wie schwer es für eine Minderjährige ist, gegen die eigene Familie auszusagen?

Ich meine ganz klar: nein.

Wenn Gewalt gegen Kinder und Jugendliche offenbar wird, muß eine grundsätzliche Zuständigkeit des Staates gegeben sein. Wenn das Opfer minderjährig ist, muß auch die einfache Körperverletzung ein Offizialdelikt sein. Und dann muß zur Not auch gegen den erklärten Willen einer 15jährigen ein Strafverfahren gegen die Täter eingeleitet werden - erst recht, wenn es sich dabei um Eltern und/oder Geschwister handelt. Und eine Verurteilung muß, bei ausreichender Beweislage, auch möglich sein, wenn das Opfer selbst die Taten verneint.

In solchen Fällen muß davon ausgegangen werden, daß das Opfer durch die Täter so sehr und fortgesetzt unter Druck gesetzt wird, nicht gegen die eigene Familie auszusagen, daß der Wert der Opferaussage gegen Null geht. Ebenso muß es möglich sein, ein minderjähriges Opfer auch gegen seinen Willen für einen längeren Zeitraum, notfalls dauerhaft, aus der Familie zu entfernen, um es zu schützen.

Und ich meine, daß alle diese Möglichkeiten prinzipiell bestanden hätten. Polizei und Staatsanwaltschaft haben hier kläglich versagt, weil sie das Problem nicht ernst genug genommen haben.

Und was Jugendämter und Kinder-/Jugendnotdienst angeht: das eine sind die Behörden, die in Deutschland für das Verhungernlassen von Kindern zuständig sind und die anderen eine Truppe langhaariger Sozialpädagogik-Absolventen, die sich auch kurz vor der Rente noch "jugendlich cool" fühlen und fest daran glauben, von den Kids akzeptiert zu werden. Beide haben - wie üblich - gezeigt, daß sie Kinder/Jugendliche nicht schützen können (oder wollen).

Wir alle tragen Verantwortung für unsere Zukunft - und Kinder sind unsere Zukunft. Sie zu schützen ist unser aller Aufgabe, und dieser Aufgabe müssen wir uns als Gesellschaft stellen.

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