Mittwoch, 28. Mai 2008

Schwul macht nix? Schwul: nix Macht!

Der (evangelisch-lutherische) Bischof von Schleswig ist neu zu wählen, und einer der Kandidaten, Probst G. aus Altona, ist schwul. Das versetzt die Kirche in heftige Schwingungen - man diskutiert lebhaft, ob ein Schwuler Bischof sein darf.

Liebe Kirchenvertreter, das Mittelalter ist vorbei! mag man dem konservativen Lager um den wortführenden Priester R. zurufen.

Aber trifft das den Kern?

Ich persönlich unterscheide streng zwischen Glaube, Kirche und Gemeinde:

  • Der Glaube ist eine höchstpersönliche Angelegenheit, die jeder Einzelne mit sich selbst ausmachen muß. Dabei kann man sich an Werten und Vorstellungen orientieren, die einem eine Glaubensorganisation an die Hand gibt, man muß es aber nicht.
  • Die Kirche ist eine Organisation, die - das haben die Jahrhunderte gezeigt - in erster Linie der Bereicherung, der (persönlichen) Machtsicherung und damit zwangsläufig auch der Unterdrückung dient.
  • Die Gemeinde hingegen ist der (lokale) Zusammenschluß von Menschen, die gemeinsame Glaubensvorstellungen haben und in aller Regel "Gutes" tun. Sie sind - in welcher konkreten Form auch immer - karitativ tätig, zu Gunsten von sozial schwachen Mitmenschen.

Über viele Jahrhunderte wurden Menschen von der römisch-katholischen Kirche unterdrückt. Ihnen wurde eingetrichtert, was "Gottes Wille" sei und wie sie sich zu verhalten haben - ohne ihnen Gelegenheit zu geben, Gottes Wort selbst nachzulesen. Die in lateinischer Sprache abgefasste Bibel als "Wort Gottes" war den meisten schon allein wegen der Sprachbarriere nicht zugänglich.

Martin Luther hat diesen Mißstand erkannt. Er hat auch erkannt, daß Ablasshandel der Bereicherung der Kirche dient und daß selbst (und vor allem) die ärmsten Menschen ausgebeutet wurden, indem man ihnen erzählte, sie müssten sich Gottes Liebe erkaufen. Entstanden ist nicht nur eine deutschsprachige Übersetzung der Bibel, sondern in der Folge die evangelisch-lutherische Kirche.

Wenngleich die evangelische Seite der christlichen Kirchen seit jeher moderater und toleranter gegenüber andersdenkenden Menschen ist und eher auf den Dialog setzt als auf Machtmittel, so finden wir dennoch stets auch hier Beispiele für Ausgrenzung.

Ausgrenzung aber widerspricht allem, was Jesus Christus uns vorgelebt hat. Jesus hat - so ist es katholisch wie evangelisch überliefert - für Integration gestanden, für das Annehmen der Menschen, auch wenn sie anders sind. Wenn also eine christliche Kirche Menschen verurteilt und ausgrenzt, dann läuft sie damit ihrem eigenen Gründungsgedanken zuwider - und zwar erst recht, wenn sie sich dabei auf persönliche Merkmale stützt, die mit dem Glauben nichts zu tun haben.

Ich für mich habe meine Konsequenzen gezogen: ich spende meiner Gemeinde regelmäßig Geld für konkrete Projekte, die ich für sozial sinnvoll halte, ich engagiere mich auch persönlich in solchen Projekten, wenn es die Zeit zuläßt - aber die Kirchensteuer spare ich mir, denn die dient lediglich der Finanzierung eines Machtapparates, der an vielen Stellen noch heute so unrühmlich ist wie im Mittelalter.

Mein Fazit: Glauben ja, Gemeinde ja, aber Kirche als Machtapparat? Nein danke!

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