Dienstag, 27. Mai 2008

Fehler sind doch menschlich!

Fehler passieren nicht, Fehler werden gemacht.

So banal das klingt - die Sprache ist (wenn man sie denn beherrscht) sehr gut in der Lage deutlich zu machen, wo der Unterschied liegt: Kometenschläge passieren, da kann man wenig gegen tun. Wunder geschehen, auch dem steht man eher machtlos gegenüber. Aber Unfälle werden verursacht, weil jemand nicht aufgepasst hat, Fehler werden gemacht, weil jemand nicht sorgsam genug war.

Und: Fehler werden von Menschen gemacht - Menschen machen Fehler. Das war schon immer so, und die Auswirkungen sind oft genug dramatisch. Sei es nun, daß durch einen Fehler hohe Kosten entstehen, um "es wieder gut zu machen", oder aber auch, daß es mit noch so viel Geld nicht möglich ist, die Auswirkungen des einmal gemachten Fehlers rückgängig zu machen.

Wie bei Franjo. Franjo, ein kleiner Junge von erst vier Jahren, ist Opfer eines Fehlers geworden; eine Ärztin gab ihm viel zu viel Glucose über eine Infusion, Franjos Hirn hat mit einer extremen Schwellung reagiert, die letztlich zum Tod dieses Kindes führte.

So bitter das für alle Beteiligten ist, so dramatisch und traurig es für die Eltern des Jungen ist, man muß sich doch damit auseinandersetzen, daß Menschen immer wieder Dinge falsch machen, daß "Fehlermachen" einfach zum Menschsein dazugehört. Ärzte sind da keine Ausnahme - warum auch?

Wenn man jedoch merkt, daß man etwas falsch gemacht hat, dann hat man die Pflicht, die Folgen seines Fehlers in ihren Auswirkungen so gut es geht zu begrenzen. Man muß sich nach Kräften bemühen, alles tun, damit es nicht noch schlimmer wird.

In diesem Fall hätte die Ärztin nicht nur selbst Gegenmaßnahmen einleiten müssen, sie hätte auch ihre Kollegen darüber informieren müssen, was passiert ist, damit die Behandlung von Anfang an zielgerichtet sein kann. Sie hätte ihren Fehler zugeben müssen, statt ihre Kollegen im Dunkeln tappen zu lassen, denn während man auf der Intensivstation um das Leben des kleinen Franjo kämpfte - ohne so richtig zu wissen, wo man am besten ansetzen kann - hat die besagte Ärztin vor allem eins getan: sich um ihren Ruf, um ihre Zukunft gesorgt, sich herauszureden versucht.

Das macht sie strafwürdig. Nicht der Fehler selbst - so etwas kommt vor, wie gesagt: Menschen, auch Ärzte, machen Fehler. Aber hinterher eigennützig zu handeln und zu hoffen, irgendwer würde den Tod eines Kindes schlicht als "Schicksal" abtun, das geht nicht. Das ist auch nicht mehr menschlich.

Im Prozess kam zusätzlich noch heraus, daß die Ärztin vor der Infusion noch gewarnt worden ist, daß eine Schwester ihre Entscheidung in Frage gestellt hat, die 500ml-Flasche zu nehmen. Der Fehler wäre vermeidbar gewesen, hätte Franjo eine Kochsalzlösung bekommen, der man genau die gewünschte Menge Glucose vorher zugegeben hätte - so etwas ist nicht nur möglich, es ist in der Medizin sogar Standard - um eben solche Fehler zu verhindern. Und der Fehler wäre nicht nur vermeidbar gewesen, sondern die Schwester hat sogar versucht, den Fehler zu vermeiden - die Ärztin hat sich darüber hinweggesetzt.

Hier kommen also zu einem - im Prinzip entschuldbaren, weil menschlichem - Fehler noch zwei Dinge hinzu: erstens der Egoismus, hinterher mehr an seine eigene Karriere zu denken als an das gefährdete Leben eines kleinen Kindes, und zweitens die unsagbare Arroganz einer Ärztin, sich über die deutlich ausgesprochene Warnung einer Krankenschwester hinwegzusetzen.

Und vor diesem Hintergrund ist der Fehler, den die Ärztin gemacht hat, eben nicht mehr entschuldbar, ist der Fehler eben nicht mehr menschlich.

Das Urteil, diese Ärztin fast zwei Jahre lang in Haft zu nehmen, und überdies die Gesellschaft für fünf Jahre vor ihr (zumindest als praktiziernede Ärztin) zu schützen, ist aus meiner Sicht absolut gerechtfertigt. Es bringt Franjo nicht ins Leben zurück, aber es schützt andere Kinder vor dieser egoistischen, arroganten Frau.

Und es ist ein hoffentlich deutlich wahrgenommenes Signal an die Ärzteschaft, daß auch Nichtakademiker Recht haben könnten, daß der weiße Kittel keine Absolution erteilt, und daß es in ihrem Beruf immer noch um Gesundheit und Leben anderer Menschen geht - das eigene Ego, die eigene Karriere haben dahinter zurückzustehen.

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